Der Marlboro-Mann mit Inhalator


 

Philip Morris International (PMI) ist nicht nur nach wie vor der größte Zigaretten-Produzent der Welt, mit ikonischen Marken wie Marlboro, sondern generiert auch noch drei Vierteil seines Umsatzes von etwa 76 Mrd. US $ aus diesem scheinbar sterbenden Produkt. Aber wer die Webseite des dominanten Unternehmens besucht, findet darin nur mehr Slogans wie „Building a smoke-free future“. Tatsächlich arbeitet PMI nicht nur an einer Diversifikation in verwandte Produkte, etwa die E-Zigarette Iqos, sondern – Achtung! – in den Gesundheitssektor. Manchen erscheint dies als zynisch von einem Konzern, der über Jahrzehnte hinweg für gesundheitsschädliche Produkte stand – und noch immer steht. Wenn man sich allerdings die konkreten Firmen ansieht, in die PMI investiert, dann macht dies durchaus Sinn. Aus der schon im letzten Jahrhundert propagierten Diversifikation entlang von Kernkompetenzen (vor allem C.K. Prahalad und Gary Hamel) akquiriert PMI Firmen, die oral zu verabreichende Medikamente und vor allem, die Inhalatoren produzieren. Statt Rauch zu inhalieren, sollen also nun die Menschen Medikamente einatmen. Als Kernkompetenz könnte aber auch die Verwaltung von Suchtverhalten gesehen werden, denn die zu inhalierenden Medizinprodukte sind weniger für eine möglichst schnelle Heilung gedacht, als für die Behandlung von im Wesentlichen nicht oder sehr langsam heilbaren Gesundheitsproblemen.

 

 

Wie auch immer, so logisch dies auf den ersten Blick klingt, so fraglich ist, wo hier tatsächlich die Kernkompetenzen liegen. Denn die Produktion von Zigaretten und deren Marketing hat wenig mit jener von Inhalatoren und den darin enthaltenen Medikamenten zu tun. Aus einer reinen Shareholder-Perspektive würde man ohnehin einfach die extrem hohen Renditen aus dem Zigaretten-Geschäft solange wie möglich nutzen um dieses Geld dann direkt in jene aufstrebenden Firmen zu investieren, die unter anderem nun von PMI aufgekauft werden. Aber selbst aus einer Stakeholder-Perspektive macht solche Diversifikation in weitgehend fremde Gebiete wenig Sinn. Die Tabakbauern werden sich irgendwann nach anderen Pflanzen und Abnehmern umsehen müssen und die wenigen verbliebenen Arbeiterinnen in den Fabriken werden kaum auf die Inhalator-Produktion umgeschult werden, weil auch die Fabriken selbst dafür nicht mehr geeignet sein werden.

 

 

Die eigentliche Rechtfertigung für PMI ergibt sich weder aus den genannten Kernkompetenzen, noch aus dem Wunsch bestehende Ressourcen, Arbeitsplätze oder Regionen für neue Zwecke zu nutzen. PMI ist vielmehr ein Vehikel um Geschäftsmodelle in umkämpften Märkten zur Dominanz zu bringen. Bis heute haben dieses Geschäftsmodelle Zigarettenrauch im Kern. Die damit kreierten Marken sind entweder Nummer 1 oder 2 im weltweiten Markt. PMI kann seine Ressourcen in Forschung und Marketing nutzen um maximale Wahlfreiheit in der Suche nach neuen Optionen für neue Geschäftsmodelle in der Zukunft zu generieren. Diese Ressourcen stehen seinen Aktionären nicht zur Verfügung. Sein größter Anteilseigner Vanguard etwa sieht seinen Erfolg auch darin möglichst wenig Aufwand zu betreiben und daher seine Management-Fees für die Investoren gering zu halten. Diese Fonds würden sich viel schwerer tun nicht nur geeignete neue Investments zu finden, sondern diese auch entsprechend zu entwickeln und zur Dominanz in ihrem Markt zu bringen. PMI kann das und sein Management wird daran gemessen werden, ob es auch in der Lage sein wird dominante Marken für Inhalatoren oder andere Gesundheitsprodukte zu generieren – und die so attraktiv sind wie der Marlboro-Mann.

 

Johannes M. Lehner

 


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